Drohnenansicht des Altmarktgarten in Oberhausen

Drohnenansicht des Altmarktgarten in Oberhausen

Man sieht sie an Bahnhöfen, Freizeitbädern oder Einkaufspassagen: Dächer aus Glas. Diese lichtdurchlässigen Überkopfverglasungen sind meist aus mehreren Scheiben Isolierglas gefertigt. Was hell und leicht wirkt, ist tatsächlich jedoch schwer und verbraucht viele Ressourcen. Das wirkt sich nachteilig auf die Gesamtkonstruktion, den Materialtransport sowie die Montage aus. Folienbasierte Materialien wiederum werden heute noch erprobt. Es fehlt ein zusammengeführtes Gesamtsystem. Hier setzt das Forschungsprojekt Light-Light-Roof an. In  diesem Vorhaben entwickelt das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT gemeinsam mit dem Industriepartner Wolfgang Block Industrie- und Gartenbau GmbH & Co. KG ein innovatives, leichtes und modulares Leichtbausystem zur lichtdurchlässigen Dacheindeckung. Hier kombinieren die Projektpartner ein Glas-Folie-Modulsystem mit einem Innendach aus einem mobilen, lichtdurchlässigen und UV-reflektierenden Gewebe. Das modulare System besteht aus ETFE-Folienbespannung (ETFE: Ethylen-Tetrafluorethylen-Copolymer) und Einscheibensicherheitsglas. ETFE ist mittlerweile für bis zu 95 Prozent des Lichts durchlässig. Insbesondere in der Architektur gewinnen diese Gebäudehüllen zunehmend an Bedeutung, da die Materialien besser charakterisiert sind und zum Beispiel durch Verklebung und Verschweißung produktionstechnische Hemmnisse behoben werden konnten. Prominente Beispiele für den Einsatz von ETFE sind die „Allianz Arena“ in München und der „Water Cube“ in Peking.

Mobiles Innendach regelt automatisch Temperatur und Licht

Die Kombination von ETFE-Folie und Glas hat mehrere Vorteile: Zum einen kann die Luft in der Zwischenschicht der Glas-Folie zirkulieren, sodass das System ideal mit der Gebäudeabluft verschaltet werden kann – beispielsweise im Winter durch Abtauen von Schnee- oder Eislasten oder zur Wärmedämmung. Zum anderen ermöglicht das flexible Innendach eine bedarfsgerechte Regelung des Innenraums, je nach Sonneneinstrahlung, Temperatur und Lichtmenge. Um dies zu gewährleisten, entwickeln die Forscherinnen und Forscher eine gebäude- und netzbedarfsangepasste Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, die in das System integriert ist. Mit einer cloudbasierten Lösung bereiten sie die Digitalisierung vor. Die Projektpartner erstellen einen Prototyp, den sie unter realen Einsatzbedingungen testen. In repräsentativem Umfeld: Im Dachgewächshaus „Altmarktgarten Oberhausen“ wollen sie das Glas-Folien-Dach auf einer geplanten Dachfläche von 160 m2 im Ganzjahresbetrieb untersuchen. Der 2019 in Betrieb gegangene „Altmarktgarten Oberhausen“ ist ein gebäudeintegriertes Dach gewächshaus mit eigenem Forschungs- und Entwicklungsbereich. Er ist ein Leuchtturmprojekt des Bundesprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus“ und erreicht dadurch eine hohe Aufmerksamkeit. In den Seminarräumen des Altmarktgartens wollen die Projektpartner das Vorhaben branchenübergreifend vorstellen und so die wirtschaftliche Verwertung vorbereiten. Dabei adressieren sie insbesondere den expandierenden Markt von im urbanen Raum angesiedelten Produktionssystemen.

Drei Viertel weniger Gewicht

Das Projektteam hat errechnet, dass das lichtdurchlässige Dachsystem aus Glas und Folie 75 Prozent weniger wiegen wird als konventionelle Glasdacheindeckungen mit dreifachverglastem Isolierglas. Daraus ergibt sich pro Quadratmeter Fläche für das Leichtbausystem Light-Light-Roof eine CO2 -Einsparung von 21.700 kg. Im Pflanzenhandel und -verbrauch prognostizieren die Projekt partner damit in zehn Jahren eine CO2-Reduktion von über 1,4 Millionen Tonnen. Hinzu kommen weitere, derzeit noch nicht quantifizierbare Einsparungen in der Gebäudekonstruktion: So könnten Architekten zum Beispiel schlankere und leichtere Gebäude entwerfen, da das Tragwerk deutlich weniger Last und Schnee stemmen muss. Neben dem Pflanzenhandel ist Light-Light-Roof auch für andere Märkte interessant, etwa für den Bau von Einkaufspassagen, Bahnhöfen, Freizeitbädern, Hotels oder Gebäudefassaden.

Projektpartner:
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheitsund Energietechnik UMSICHT
Wolfgang Block Industrie- und Gartenbau
GmbH & Co. KG